(M)eine Weihnachtsgeschichte Teil 1: Wie habe ich Weihnachten damals mit meiner psychischen Erkrankungen erlebt?
Ich erinnere mich sehr gut daran. In 2011 breitete sich meine psychische Erkrankung aus. Zuerst mit einer Angststörung, auf die ich täglich oder gar stündlich mit Panikattacken reagierte. Mit der Zeit folgten Zwänge und – wenn an dieser Stelle der Tiefpunkt noch nicht erreicht war, dann war er es spätestens, als ich in dann auch noch in eine schwere Depression rutschte.
Gibt es auch viele Situationen, die ich rückblickend als Tiefpunkt meiner psychischen Erkrankung definieren würde, so war Weihnachten 2011 auf jeden Fall einer davon.
Weihnachten ist Stress pur,
leidet eine Person unter psychischen Erkrankungen
Schon der Monatswechsel von November auf Dezember machte mich unruhig, denn Weihnachten rückte immer näher und ich hatte mir noch keine Gedanken um ein Geschenk für eine bestimmte, andere Person gemacht.
Diese völlig unbedeutende Tradition des Schenkens übte regelrecht Druck auf mich aus, ich wurde zu Dingen gezwungen, zu denen ich nicht in der Lage war. In keinem Universum hätte ich mit meinem Auto in die Stadt fahren, in ein Kaufhaus gehen und ein Weihnachtsgeschenk kaufen können.
Ich hatte wirklich genug andere Sorgen. Ich hatte Angst schlafen zu gehen und ich hatte Angst wach zu sein. Mir war den ganzen Tag schwindelig, ich fühlte mich benommen, mein Herz raste, die Brust schmerzte, die Luft wurde knapp und ich fürchtete jeden Moment umzukippen. Rief ich am Tag nicht den Notarzt, dann spätestens in der Nacht, weil ich mit Atemnot und schnellem Puls aufwachte, einen Herzinfarkt kommen sah und Todesängste durchlebte. Und das alles in meiner vermeintlich sicheren Wohnung. Draußen waren die Panikattacken noch schlimmer.
Weihnachten mit Angststörungen und Panikattacken,
Burnout und Depressionen sowie Zwangsstörungen
Aber zurück zum Weihnachtsgeschenk bzw. meiner Unfähigkeit, eines kaufen zu können. Natürlich war ich in erster Linie sauer auf mich selbst oder auf diese Erkrankung, denn damals war ich machtlos, ich fand trotz größter Anstrengung und vieler Versuche keine Hilfe und so gab ich auf, zog mich zurück, überwachte meinen Blutdruck und meinen Puls und versuchte, die Tage und die Nächte zu überstehen.
Vielleicht war ich aber auch sauer auf diesen einen Mensch, den ich beschenken „sollte“, weil sie mich von der Last des Schenkens nicht befreite. Aber sie verstand meine damaligen, alltäglichen, unüberwindbaren Herausforderungen einfach nicht.
Sie wurde deshalb auf emotionaler Ebene zu meinem Feind. Vor ihr musste ich eine Rolle spielen, meinen Zustand und meine Probleme weg lächeln und eine Stärke zeigen, die ich nicht hatte.
Es war alternativlos. Trotz mehrmaliger, verzweifelter Versuche bekam ich von ihr nicht die mentale Unterstützung und Sicherheit die ich brauchte, denn sie konnte meine Worte einfach nicht verstehen und der Ratschlag, einen Therapeuten aufzusuchen, brachte mich definitiv nicht weiter. Schließlich wusste ich nicht, wie ich die nächsten fünf Minuten aushalten sollte.
Auf der anderen Seite musste ich mich zusammen reißen, denn ich konnte der Person, die Weihnachten auf mich wartete nicht noch mehr Kummer machen, denn es war das erste Weihnachten ohne ein besonderes Familienmitglied.
Oder anders: Es war das erste Weihnachten ohne das Familienmitglied, an dem wir es auch nicht anrufen konnten. Viele Weihnachten zuvor war die Person zwar körperlich nicht da, wir konnten sie aber in der Klinik anrufen.
Heute weiß ich natürlich, dass die Person, die meinen Besuch erwartete, keine Schuld trifft. Man darf andere Menschen nicht in die Pflicht nehmen, fehlende Sicherheiten zu kompensieren. Man findet seine Sicherheiten nicht bei anderen Menschen, man macht sich lediglich von ihnen abhängig.
Weihnachten triggert das Trauma psychischer Erkrankungen
Sicherheiten, die man im Rahmen eines Traumas verloren hat, kann man nur selbst wiederfinden und zwar indem man erkennt, an welcher Stelle genau man seine Sicherheit einst verloren hat. Damals konnte ich das nicht sehen.
Ich bin sicher, dass es vielen Menschen da draußen so geht, deshalb könnt Ihr Euch jederzeit bei mir melden, denn mein Therapie-Konzept und meine Therapie-Programme führen genau an diesen ausschlaggebenden Punkt, weshalb Angststörungen und Panikattacken, Burnout und Depressionen sowie Zwangsstörungen dann neutralisiert werden können.
Erwartungsangst: Wenn Weihnachten zu einer Herausforderung wird
Das Geschenk jedenfalls habe ich dann online bestellt und so langsam rückte der heilige Abend näher. Ich fühlte mich völlig überfordert, viele Gedanken schwirrten mir durch den Kopf.
-Wie genau soll ich eigentlich die 15 Kilometer zu meinem Elternhaus fahren? Hatte ich auf der einen Seite auch das Gefühl in Gesellschaft „sicherer“ zu sein, weil in Gesellschaft jemand einen Arzt rufen könnte, sollte ich einen Herzinfarkt erleiden, so stellte diese Entfernung eine unfassbare Weite dar.
Ich bekam meine erste und dritte Panikattacke im Auto, weshalb ich gar kein Auto mehr fuhr und Busse fuhren an hl. Abend in dieser kleinen Stadt nur bis 13 Uhr. Ich sollte mich aber erst auf ca. 16 Uhr einfinden. Allein in diesem Haus voller (schlechter) Erinnerungen wollte ich auch nicht sein.
-Welche Garderobe wird eigentlich von mir in der ‚heilen’ Welt, in der man lacht und strahlt erwartet? In den letzten Monaten vernachlässigte ich mich so sehr, selbst zum Duschen konnte ich mich nur schwer aufraffen und ich konnte mir gar nicht vorstellen, etwas Hübsches aus dem Kleiderschrank herauszusuchen, weil mein leerer Körper und mein blasses, emotionsloses Gesicht gar nicht mehr dazu passte. Make Up hatte ich mir schon ewig nicht mehr nachgekauft.
-Wie soll ich die Benommenheit überspielen, die im gedimmten Licht oder gar bei Kerzenschein unaushaltsam werden wird? Wie soll ich mich verhalten, wenn ich gern alle Fenster aufreissen und nach Luft schnappen würde?
-Was, wenn der Puls anfängt zu rasen? Der Druck auf der Brust stärker wird und ich mich auf keine Gespräche mehr konzentrieren kann und mir jegliche Reize zu viel werden?
Etwa eine Woche vor dem Fest wurden diese Gedanken immer schlimmer und somit auch die täglichen Panikreaktionen. Denn mit meinem Grübeln setzte ich meinen Körper und meine Psyche so sehr unter Stress, dass mein Organismus eine direkte Antwort gab. Ich dachte daran, alles hinzuwerfen und blau zu machen.
Doch dafür habe ich zu viel Respekt und vor allen Dingen sah ich mich in der Pflicht, ein schönes Weihnachten zu bereiten, damit eine andere Person diesen Tag nicht allein und traurig verbringen muss.