Was können Angehörige tun, wenn einer ihrer liebsten Menschen eine Panikattacke erleidet und Todesängste durchlebt? (Bezogen auf Panikattacken durch Angststörungen und Zwangsstörungen)
Kontaktaufnahme über Blicke: Hilfe für die Person, die eine Panikattacke hat
„Du hast nichts, Du warst doch erst beim Arzt und Du bist gesund“, der wohl schlechteste Mutmacher für eine Person, die gerade eine Panikattacke aushält. Denn die Symptome sind in der Situation durchaus echt und nicht eingebildet und deshalb sehr beängstigend.
Angehörige fühlen sich mit der Situation überfordert und versuchen dann instinktiv, den Betroffenen durch Worte zu beruhigen. Dieses Vorgehen ist zwar besser als das Zureden a la „stell Dich nicht so an“, aber trotzdem können Menschen, die akut unter großer Angst leiden, keine beruhigenden Worte wahrnehmen und annehmen. Weil es sich in ihrer Hölle einfach nicht nach „alles ist gut“ anfühlt.
Besser ist die Kontaktaufnahme über Blicke, über die Augen, über die Mimik, über ein Lächeln, über einen Gesichtsausdruck, der Sicherheit und Schutz vermittelt, der aussagt, dass die betroffene Person nicht alleine ist und der vor allen Dingen nicht panisch ist, sondern Gelassenheit ausstrahlt. Auch wenn also ein Betroffener im Rahmen der Panikattacke Symptome von Luftnot hat, sollte sich die Angst nicht auf den besorgten Angehörigen übertragen.
Der Tipp, Kontakt über die Augen und die Mimik und die gesamte Ausstrahlung aufzunehmen, der hört sich erstmal nicht sehr vielsagend und nicht sehr vielversprechend an – versteht man aber den biologischen Hintergrund, bekommt das, was sich nach einem „blablabla“ anhört, eine völlig neue Bedeutung.
Die Technik hat einen biologischen Hintergrund und regt Entspannung an
In vergangenen Beiträgen habt Ihr bereits mehr über den Sympathikus gelernt. Dieser wird bei Furcht, Schreck, Sorge, Aufregung (…) im Zentralnervensystem aktiviert – er bereitet den Organismus auf Gefahr vor – die Herzfrequenz steigt, der Sauerstoff im Blut erhöht sich, die Muskeln spannen sich an…
Muss der Organismus aber nicht tatsächlich kämpfen (weil der die Situation sicher ist (die Psyche hat falsche Signale gesendet)), so treten Symptome auf, die zu einer Panikattacke führen können, weil der Organismus so den Stress wieder abbaut. Erwartungsangst oder ständiges Grübeln reicht für diesen Vorgang übrigens schon aus.
Nach einigen Minuten ist die vermeintliche Gefahr vorüber, nun ist nicht mehr der Sympathikus, sondern der Parasympathikus aktiv. Dieser ist für die Entspannung zuständig. UND HIER WIRD ES INTERESSANT:
Der Parasympathikus teilt sich in den „dorsalen Vagus“ und den „ventralen Vagus“. Der dorsale Vagus entspannt Herz-Kreislauf und die Lunge, bedeutet, der Puls und Blutdruck sinken, die Atmung wird ruhiger. Der ventrale Vagus hat auch den Namen „sozialer Vagus“ und er nimmt den zwischenmenschlichen Kontakt wahr und zwar besonders über den Gesichtsausdruck.
Wählt der Angehörige aus Unwissen und obwohl er es gut meint, in seinen Augen beruhigende Worte, so sind das nicht nur Worte, die einen Menschen mit Angst nicht nur nicht erreichen und beruhigen können, vielmehr sind es auch Worte, die erneut triggern und somit den Sympathikus erneut aktivieren können.
Nimmt der Betroffene mit akuten Ängsten und Panikattacken also den Gesichtsausdruck wie oben beschrieben wahr, kann der ventrale Vagus den Parasympathikus schneller aktivieren und der Organismus findet schneller Entspannung, indem der Parasympathikus den Sympathikus zu einem früheren Zeitpunkt ablöst. Die akuten Symptome können so also schneller in Intensität gelindert werden.
Parasympathikus aktivieren: Besser als Skills bei Panikattacken
Warum keine Skills? Atemübungen, Entspannungsübungen, Ablenkungen sind nie falsch, brauchen aber eine absolute Körperbeherrschung, die Betroffene zu Anfang einfach nicht haben. Inmitten einer Todesangst kann nicht rational wahrgenommen werden, die Konzentration ist eingeschränkt.
Dazu kommt, dass es sich bei den Symptomen, die der Parasympathikus auslöst, um „vegetative Symptome“ handelt und das bedeutet, dass sie Bereiche ansprechen, die ohnehin vom Körper selbst gesteuert werden. In Puls, Atmung, Verdauung, Kältegefühle, Hitzegefühle und Co kann man nur sehr schlecht eingreifen.
Deshalb gibt es in meinen Therapie-Programmen bei Angststörungen und Phobien mit Panikattacken, sowie Zwangsstörungen und Zwangsgedanken nur einen kleinen Bereich, etwa 5 Seiten von 220 Seiten, die diese Akuthilfe ansprechen. Bei Angehörigen sollte also der ventrale (soziale) Vagus im Vordergrund stehen und beim Betroffenen selbst langfristige Lösungen, die dazu führen, dass es gar nicht mehr zu Symptomen kommt. Denn Skills alleine wirken nicht präventiv.
So sind meine 8-Wochen-Programme ausgelegt und sie greifen auch deshalb nicht auf die Konfrontationstherapie zurück, weil diese auch lediglich den Sympathikus aktiviert. Der Betroffene ist überfordert, soll er seine Ängste konfrontieren, weshalb Symptome erst ausgelöst werden. Daher gehe ich mit meinen Programmen einen völlig anderen Weg.
Die Wirksamkeit belegen meine Feedbacks. Bei Fragen bin ich jederzeit erreichbar. Folgt mir gerne auf Instagram.